Was war euer bestes Konzert in diesem Jahr?
Immer wieder bin ich ein wenig neidisch gewesen, wenn jemand (auch gerne hier) davon berichtete von einer/m Künstler:in oder Band mehrere Konzerte einer Tour mitgenommen zu haben.
Nachdem mir ihr Album in 2020 so viel bedeutet hat, wie es bisher bei kaum einer anderen Scheibe der Fall war, stand für mich fest, dass ich auf alle Fälle mehrere Auftritte von
Phoebe Bridgers im Sommer 2022 erleben musste. Kombiniert mit einem Städtetrip wurden zwei Konzerte in Manchester und eins London gebucht. Hinzu kamen die (später veröffentlichen) Auftritte beim Glastonbury und in Hamburg.
Während diese noch mit verkürzter (Festival-)Spielzeit bzw. reduzierter Show (weder LED-Screens noch kompletter Bühnenaufbau) durch die sehr kleine Bühnenfläche in der Fabrik vonstatten gingen, gab es in Manchester/London das volle Programm.
Jeweils 1,5-2 Stunden vor Einlass bin ich vor dem Apollo in Manchester bzw. der Brixton Academy in London, zwei wahnsinnig schönen Locations mit Tribüne und durch den abschüssigen Boden nahezu perfekter Sicht, gewesen und stellte jeden Abend wieder fest, dass bereits das halbe Publikum da war. Einige der zum großen Teil jungen und weiblichen Fans, häufig auch als Double oder zumindest im Skelett-Kostüm unterwegs, hatten zum Teil seit dem Vorabend vor der Location gewartet, um ihrer Heldin aus den vorderen Reihen entgegenzutreten. Bei Öffnung der Türen wurde der Kampf um die besten Plätze dennoch tagtäglich hektisch. Durch die sehr breite Bühne und Innenraum war es für mich noch ohne große Anstrengung möglich gute Plätze in Reihe 8-10 bzw. Reihe 2 am Rand zu ergattern.
All die Anspannung entlud sich jeweils zum ersten Mal in den Momenten, in denen Phoebe auf der Bühne erschien, um den jeweiligen Supportact anzukündigen, endgültig aber zu Beginn ihres Auftritts. Jeder Song des Sets wurde bejubelt, von vorne bis hinten wurde alles lauthals mitgesungen und in einigen Gesichtern habe ich kleine Tränen erkennen können. Der einzige kleine Kritikpunkt, die identische Setlist des Hauptsets auf der gesamten Tour, ist bei einer Künstlerin mit zwei Alben wohl nicht zu ändern. Um so schöner war die Spannung, mit welchem Song sie auf Zuruf der Fans in der Zugabe alleine mit Akustikgitarre den Abend beenden würde.
So eine Vorfreude auf eine Tour, so ein Fankult, so eine unfassbare Euphorie im Publikum und so eine Energie auf der Bühne habe ich selten erlebt.
Darüber hinaus habe ich mit 147 Auftritten so viele erleben dürfen wie bisher noch in keinem Jahr.
Besonders erleichternd war es die ersten Töne von
Charli XCX über das Gelände fliegen zu hören, nachdem man mit fast 24-stündiger Verspätung und viel Hektik in Barcelona angekommen ist. Die Reisestrapazen verflogen bereits beim Zielsprint über den Rollrasen zur Hauptbühne, um dort immerhin noch die zweite Hälfte einer der persönlichen Lieblingskünstlerinnen zu erleben.
Deutlich stressfreier ging es im Vergleich dazu bei den
Foals im vorderen Bereich vor der Other Stage beim Glastonbury zu. Der Slot als Headliner der zweiten Bühne parallel zu Billie Eilish sorgte dafür, dass das Publikum nicht so dicht gedrängt stand wie andernorts. Meine - nach der zuletzt eher stagnierenden Entwicklung der Band - verhaltenen Erwartungen wurden stark übertroffen. Ein wahnsinnig kraftvoller Auftritt mit minimalistischer, aber dennoch wirkungsvoller Lichtshow gepaart mit euphorischer Stimmung und einiger Action im Publikum. Gerne ganz bald wieder!
Stark in Erinnerung bleiben werden dazu auch die besonderen Auftritte von
Paul McCartney und
Kendrick Lamar beim Glastonbury, die altbekannten Gesichter von
The National, Nick Cave und
Phoenix beim Primavera oder neuen persönlichen Helden wie
Dave und
Little Simz beim Way Out West.
Welcher Act hat euch positiv überrascht, bei dem ihr es vorher gar nicht erwartet hattet oder den ihr vorher gar nicht kanntet?
In Vorbereitung auf das Primavera habe ich mich erstmals ein wenig mit
Bicep beschäftigt. Auch wenn ich im elektronischen Genre alles andere als zuhause bin und auch die Uhrzeit (3:00-4:15 Uhr) normalerweise gar nicht für mich gemacht ist, hat mich der Auftritt einfach komplett mitgerissen.
Welcher Auftritt hat euch enttäuscht? Und woran lag es?
Zu den
Strokes ist in diesem Sommer schon zu viel gesagt worden. Musikalisch (wenn es denn endlich dazu kam) war es dennoch vollkommen in Ordnung.
Welcher Act hatte die beeindruckendste Bühnenshow?
Nachdem ich auf der 2019er-Tour überhaupt nicht mehr mit ihnen warm geworden bin, haben mich
Tame Impala in diesem Sommer wieder vollends in ihren Bann gezogen. Die Lichtshow hat vieles in den Schatten gestellt, dazu der obligatorische Konfettiregen zu Let It Happen.
Was war der schönste, skurrilste oder verrückteste Live-Moment in diesem Jahr? Wann hattet ihr am meisten Gänsehaut?
Alle drei Festival-Gigs von
Fred Again.. waren in diesem Sommer absolut emotional. Neben der Stimmung der Songs versprühte vor allem Fred selbst so eine wunderbare Euphorie und Rührung über die Reaktionen des Publikums. Nur ganz selten habe ich es einem Künstler so sehr abgenommen, dass der aktuelle Moment etwas ganz Besonderes für ihn ist.
Während der Club-Show im Herbst war davon (zum Glück) nicht mehr viel zu spüren. Vorab war es meine größte Sorge, dass dies nun zur Masche für alle weiteren Auftritte werden könnte.
Selten realisiere ich, welcher Song direkt nach Konzertende aus den Boxen der Hallen-Lautsprecher dröhnt. Ob diese von der Band/Künstler gewünscht oder der Veranstalter selbst wählte - völlig egal. In diesem Sommer gab es allerdings mehrfach Momente, die mir die Arm- und Beinhaare nur so aufstellen ließ:
Aus der Drei-Song-Rotation auf der Tour von Phoebe wurde vor allem Silk Chiffon von der auf ihrem Label gesignten Indie-Pop-Band MUNA besonders erfreut entgegengenommen. Ab der ersten Sekunde des Gesangs (ich konnte beim ersten Konzert gar nicht so schnell realisieren, was in dem Moment passierte) kreischte und grölte gefühlt der gesamte Saal mit - was für ein Kontrast zum Abschluss des Konzerts und was für ein schöner Abschluss mehrerer Abende!
Welches Konzert habt ihr verpasst und bereut es im Nachhinein? Warum wart ihr nicht da?
Anfang des Jahres sowohl die
Tiny Moving Parts als auch
Lucy Dacus durch Terminstress verpasst. Beide hätte ich sehr gerne mit den aktuellen Alben gesehen.